Vom Tier zum Teller - die Geschichte von Edgar dem Schwein - 10.02
- tansaniablog
- 26. Feb. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Unser Samstag startete, vom Plan abweichend, ohne eine morgendliche Messe - die letzten Tage haben uns alle recht stark gefordert, somit war der extra Schlaf sehr willkommen.
Nach einem recht ausgedehnten Frühstück machten wir uns alle auf den Weg zu dem Haus of Hope des Ursulinen Ordens. Dies ist eine Einrichtung für Waisenkinder mit insgesamt 71 Kindern von ca. 1 - 14 Jahren und 18 Nonnen. Die Betreuung und Schulbildung steht dabei im Mittelpunkt.
Nach unserer Ankunft erhielten wir zunächst eine Führung, wobei uns die Räumlichkeiten sowie Umgebung gezeigt wurde. Danach wurde extra frisches Zuckerrohr geerntet, welches wir gemeinsam mit den Kindern aßen. Anschließend nutzen wir die Gunst der Stunde und gaben die kleinen Geschenke an die Kinder, die wir mitgebracht hatten. Freudestrahlend wurden die Gummibärchen verköstigt, die Schreibutensilien wurden später unter den größeren Kindern verteilt. Zum Abschluss konnten wir noch etwas Zeit mit den kleineren Kindern verbringen. Dabei sangen wir sehr motiviert „alle meine Entchen“ und tanzten dazu :D. Auch falteten wir Papierflieger und veranstalteten einen Wettbewerb, wer am weitesten kam.
Wir hatten den Eindruck, dass sich die Schwestern sehr hingebungsvoll um die Kinder kümmern und die Erziehungsmethoden im Vergleich zu anderen Einrichtungen, die wir besichtigt hatten, eher modern sind.

Nach dem Erreichen von 14 gibt es für Mädchen die Möglichkeit, ein Internat zu besuchen. Bei Jungs wird nach den nächsten Angehörigen oder eine Übergangslösung gesucht, da es für sie im Moment noch kein gefördertes Internat gibt. Die Errichtung eines solches Internats ist das nächste Ziel der Schwestern.
Der zweite Stop heute war aus meiner Sicht einer der bisher prägendsten - wir machten Halt am lokalen Meat-Market, welcher traditionell jeden Samstag stattfindet. Hier erlebten wir die Wertschöpfungskette von tierischer Produkten (vor allem Fleisch) nochmals ganz neu:
Es war einmal ein kleines Schweinchen, namens Edgar. Edgar hatte ein sehr schönes Leben mit seiner Mama und Papa auf einem kleinen, malerischen Bauernhof in Tansania. Es war ein Freitagnachmittag, wie jeder andere, ohne spannende Ereignisse. Nur die Sonne schien und eine laue Brise wehte auf der Weide. Doch plötzlich näherte sich ein ungewohntes Geräusch - Brum Brum Brum! Ein Daladala (Kleinwagen) umgebaut zum Pick machte vor dem Gatter halt. Zwei Gestalten steigen aus - ein paar schnelle Handgriffe und Edgar wurde mit einer routinierten Präzession von seiner Familie getrennt und auf den Pickup geladen.

Schon startet auch wieder der Motor, gemischt mit dem geplagten, schmerzenden Grunzen von Edgar, seiner Mama und seinem Papa, die die Vorahnung hatte, ihren Sohn nie wiederzusehen.
Nach einer längeren, holprigen Fahrt macht der Pickup an einer kleinen Weide des Meat-Market, mitten in Dodoma halt. Hier versammelten sich viele Bauern bzw. Fahrer, welche Tiere (Schafe, Ziegen, Rinder, Schweine) ablieferten. Nun wurde Edgar klar, wo er gelandet ist! Er hatte aus Gruselgeschichten von seinen Freunden erfahren, dass es einen Ort Namens Schlachterei gab. In dieser Todesmaschine wurde für den Menschen Fleisch hergestellt.

Edgar bekam es mit der Angst, er zitterte am ganzen Körper, doch er wusste es gab keinen Ausweg aus seiner Lage, als den nächsten Tag abzuwarten. Am nächsten Morgen war es dann also so weit. Ein Mann im weißen Kittel kam in die Weide und trieb Edgar mit einem Stock in Richtung des Schlachthauses. Natürlich wollte Edgar sich weigern, doch Schlag für Schlag, welch mit dem Stock verteilt wurden, ließen ihn zusammenzucken und am Ende einknicken. Und schon ging es dann ganz schnell - ein, zwei Hiebe mit der Machete und der Kopf war blutig abgetrennt.

Markerschütternde Klänge durchfuhr unsere Körper von brechenden Knochen, spritzendem Blut und ängstlichen Tieren, als wir den Markt besuchten. Dennoch sehe ich die Erfahrung, die wir dabei machen durften als essenziell und würde mir wünschen, dass es im deutschem Lehrplan Pflicht ist ebenfalls eine Schlachterei zu besuchen - jeder sollte aus meiner Sicht wissen, woher und wie sein Essen hergestellt wird. Natürlich kann man dabei unsere Erfahrungen aus Tansania nicht mit dem deutschen Industriemaßstab vergleichen.
Zunächst erhielten wir eine kurze Führung über den Meat-Market von unseren Gastgebern und konnten somit den ganzen Prozess "vom Tier zum Teller" anschauen. Nachdem wir das Schlachthaus besichtigt hatten, suchten wir uns einen Platz in einem recht rustikal eingerichteten Restaurant unter Planen. Die Bestellung wurde nicht wie üblich beim Personal getätigt, sondern hatte man das Privileg sich sein Fleisch selbst bei einem der anliegenden Grillstationen herauszusuchen. Wir bestellten Ziege und Schwein. Dies wurde noch mit einer undefinierbaren Kräuter-Flüssigkeit übergossen und uns dann nach kurzer Zeit serviert.

Insgesamt muss ich sagen, dass ich noch nie in meinem Leben so frisches Fleisch gegessen haben. Mit jedem Bissen war mir der Wert bewusst, was ich gerade esse - ein Lebewesen, welches vor ca. 3h noch quicklebendig herumgesprungen ist. Natürlich kann man jetzt diskutieren, ob es überhaupt nötig ist Fleisch zu essen.
Zusammengefasst waren meine Erkenntnisse aus diesem Tag, dass eine Aufklärung über die deutsche Fleischindustrie stattfinden muss! Es kann nicht im Interesse der Bevölkerung, der Umwelt und der Tiere sein 0,90€ billig Salami aus dem Discounter zu kaufen sowie zu verzehren. Es entsteht unfassbares Leid für die Tiere und auch wir Menschen profitieren nicht - Wurstkonsum steigert laut der WHO nachweislich das Krebsrisiko. Tierärzte, welche unter anderem mit diesem Leiden tagtäglich in der Industrie konfrontiert werden, sind nachweislich eine der Berufsgruppen mit höchster Suizidrate - Zufall?
Ich bin der Auffassung, dass die Wertschöpfung von Fleisch kritisch betrachtet werden muss, dies darf gerne auch schon in der Schule mit konkreten Angebotenen geschehen. Auch wenn der Nachmittag ziemlich brutal war, habe ich das Gefühl, das Tier würdig und mit Respekt gegessen zu haben. Nichts wurde verschwendet, nichts weggeschmissen. Ich muss nicht immer Fleisch essen, die Erfahrung, die ich an diesem Tag machen durfte, möchte ich jedoch nicht missen. Es bleibt aus meiner Sicht nur zu hoffen, dass auch in Deutschland sich immer mehr Menschen Gedanken über den Konsum von Tieren machen bzw. reflektieren, welche Auswirkung Ihre Lebensweise auf die Umwelt, die Tiere und sich selbst hat.
Ich freue mich auf Eure / Ihre Meinungen in den Kommentaren :)
Quellen zur Vertiefung der Materie:
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